Breites politisches Bündnis macht den Weg in Richtung Gesamtschule frei

Mettmann  |  8. November 2018

Breites politisches Bündnis macht den Weg in Richtung Gesamtschule frei

Von Philipp Nieländer

CDU, SPD, Grüne und Piraten/Linke stellen einen gemeinsamen Antrag: Der Beschluss, einen Bildungsgang Hauptschule an der Realschule einzurichten, wird aufgehoben. Stattdessen sollen eine Feinplanung für eine Gesamtschule erstellt und eine verbindliche Elternbefragung durchgeführt werden.

Ungewöhnliches Bündnis in Sachen Gesamtschule (v.l.): Ute Stöcker (CDU), Florian Peters (SPD), Nils Lessing (Grüne), Jürgen Gutt (Piraten/Linke) und Annette Mick-Teubler (CDU, Vorsitzende des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport). Foto: TME
Das sah vor einem Jahr noch ganz anders aus: „Das war’s dann wohl mit einer Gesamtschule für Mettmann“ titelte Taeglich.ME am 17. November 2017, nachdem der Schulausschuss sich mehrheitlich dafür ausgesprochen hatte, für die dauerhafte Einrichtung eines Hauptschulzweiges an der Realschule eine Umsetzungs- und Kostenplanung zu erstellen.
„Auch damals haben wir das Projekt Gesamtschule für absolut wünschenswert gehalten“, sagte gestern der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian Peters mit Blick zurück auf die Entscheidung von 2017. „Aber wir waren uns auch sicher, dass eine Umsetzung zu lange dauern würde.“ Man habe sich daher dafür entschieden, möglichst schnell den so genannten Paragraf 132c – den Bildungsgang Hauptschule an der Realschule – zu ziehen. „Wir sind nach den Vorgesprächen zum einen davon ausgegangen, dass das zu 100 Prozent die Unterstützung der Realschule findet“, so Peters weiter, „zum anderen sind wir davon ausgegangen, dass es zeitnah die notwendigen Ausführungsbestimmung zum Paragraf 132c geben wird, so dass wir zum Schuljahr 19/20 das Angebot vorhalten können“.
Hoffnungen in Paragraf 132c „nicht erfüllt“
Mittlerweile sei aber klar, dass sich die Hoffnungen in den Paragraf 132c nicht erfüllen werden, führte der SPD-Fraktionsvorsitzende weiter aus. Die kurzfristige Perspektive sei nicht mehr gegeben. Von den Beteiligten – Schule und Stadtverwaltung – sei nicht im erforderlichen Maß an dem Thema gearbeitet worden. „Auch ein Jahr nach dem Beschluss liegt kein Raumplan und kein pädagogisches Konzept vor“, so Peters. Es gebe aktuell keinen anderen Stand als im Dezember 2017. Was nach der damaligen Bekundung der inszwischen pensionierten Schulleiterin, den Hauptschulzweig einrichten zu wollen, passiert sei, könne man nicht aufklären. „Und das ist auch nicht unsere Aufgabe“, so Peters. „Fakt ist: Die Ergebnisse sind nicht da!“ Und so habe man ärgerlicherweise ein Jahr verloren.
Man dürfe die Gemengelage nicht verkennen, sagte Ute Stöcker (CDU). Die Elternvertreter der Realschule hätten sich vehement gegen die 132c-Lösung ausgesprochen. „Vermutlich aus Angst, dass die Schule dadurch einen neuen Anstrich verpasst bekäme“, so Stöcker weiter.
Jürgen Gutt (Fraktion Piraten/Linke und selbst Lehrer) erläuterte das zweite Problem: Um den Paragraf 132c ab der fünften Klasse anwenden zu können, sei eine Änderung des Schulgesetzes erforderlich. Wer sich damit auskenne, wisse, dass so etwas bestimmt zwei Jahre dauern werde. „Zum Beispiel muss per Gesetz geregelt werden, wer entscheidet, wer welchen Zweig besucht“, erklärte Peters.
Der Antrag
Darum stellen die vier Fraktionen CDU, SPD, Grüne sowie Piraten/Linke für den heutigen Schulausschuss (17 Uhr, Rathaus) einen vierteiligen Antrag: Der Beschluss des Rates vom 19. Dezember 2017 zur Errichtung eines Angebotes gemäß Paragraf 132c an der Realschule wird aufgehoben. Im Jahr 2019 wird eine verbindliche Elternbefragung zur Errichtung einer Gesamtschule in Mettmann durchgeführt. Das Büro Klein & Neubürger, das bereits die Machbarkeitsstudie zur Schullandschaft erstellt hat, wird beauftragt, für die Variante vierzügige Gesamtschule am Standort Realschule/Hauptschule eine Feinplanung für ein Raumkonzept zu erstellen und die Kosten zu ermitteln. Die Rahmenbedingungen für die mögliche Einrichtung einer Gesamtschule werden mit der Bezirksregierung erörtert.
Die wichtigen Prognosezahlen
Diesen Konsens herzustellen, sei eine Menge Arbeit gewesen, so Peters. Zumindest etwas erleichtert wurde die Entscheidung durch die neue Schüler-Prognosezahlen. „So wie sie uns mitgeteilt wurden, besteht die Möglichkeit für zwei Gymnasien und eine Gesamtschule“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Das sei vor einem Jahr noch ins Reich des Absurden geschoben worden. „Die Geburtenzahlen sind um 100 nach oben gegangen“, präzisierte Ute Stöcker. Und man dürfe den Zuzug von Migranten nicht vergessen. „Wir bauen ja jetzt schon eine Kita nach der anderen“, sagte Nils Lessing, Fraktionssprecher der Grünen. „Und auch die Grundschulen platzen aus allen Nähten. Das sind in einigen Jahren die fehlenden Plätze in weiterführenden Schulen, wenn wir nichts tun.“ Die Gymnasien würden aktuell über die eigentlich geplante Kapazität ausgelastet, so Peters – das HHG derzeit fünf- statt geplant dreizügig. Diese Zügigkeit werde man nach Einrichtung einer Gesamtschule beschränken.
Lob für Bürgerinitiative
Lob gab es von allen vier Fraktionen für das Wirken der Gesamtschul-Bürgerinitiative. Diese habe positive Stimmung für etwas erzeugt – und nicht Stimmung gegen etwas gemacht, so Peters. Sie habe zudem aufgezeigt, dass der Elternwille weiter bestehe. „Wenn sich die Politik dann mitnehmen lässt, ist das ein gutes Zusammenspiel.“
Kostspielige Angelegenheit
Dass die Einrichtung einer Gesamtschule einiges kosten würde, ist den Kommunalpolitikern bewusst. In der Machbarkeitsstudie wurde das entsprechende Modell (Gesamtschule am Standort Realschule mit Forum, Mensa und neuer Sporthalle) mit rund 16,6 Millionen Euro kalkuliert. „Dabei muss man aber berücksichtigen, dass man für die Weiterführung der Realschule auf einem vernünftigen Standard auch mindestens acht Millionen Euro investieren müsste“, rechnete Peters. Dennoch sei das ein großer Brocken – einer von vielen. Schließlich gibt es ja auch noch die „Baustellen“ Baubetriebshof, Feuer- und Rettungswache, Grundschulen und Stadthalle. „So landen wir bei Investitionen von 70 Millionen Euro“, so Ute Stöcker. Hier sei ein Finanzplan nötig. „Aber grundsätzlich ist bei einem niedrigen Zinssatz die Zeit günstig, Großprojekte umzusetzen“, sagte Stöcker. Und durch die Investitionen steige schließlich auch das Vermögen der Stadt.
Der Weg ist noch weit
Fakt ist: Der Weg zur Gesamtschule ist noch weit. Bei der verbindlichen Befragung im kommenden Jahr müssen 100 „Ja“s zusammenkommen. Danach hat die Bezirksregierung das Wort. Auch die Nachbarkommunen müssen befragt werden. Erst wenn die Bezirksregierung zustimmt und 100 Anmeldungen von Schülern aus der eigenen Kommune zusammenkommen, kann die Gesamtschule eingerichtet werden. In dem Fall würde der Unterricht der neuen Gesamtschule parallel zum Realschul-Lehrbetrieb im Gebäude an der Goethestraße beginnen. Die Realschule würde nach und nach auslaufen.